Mark Alban Lotz: Interview mit dem Flötisten

Anlässlich eines Konzerts im Museum für Lackkunst (Münster) hatte ich die Gelegenheit mit dem in Thailand, Uganda und Deutschland aufgewachsenen und nun in den Niederlanden beheimateten Musiker und Komponisten zu sprechen.

Welche Bedeutung hat die eigene Biografie für die aktuelle Musik, die du komponierst und vorstellst?

MAL: Ehrlich gesagt, dass weiß ich nicht. Afrika bestimmt, Thailand wahrscheinlich etwas weniger. Den größten Einfluss hat wahrscheinlich mein Vater mit seiner Plattensammlung. Ich habe halt viel Jazzmusik zu Hause gehört.

Finden sich asiatische Kompositionsmuster in deiner Musik ebenso wie afrikanische z. B. Gnawa oder Griot?

MAL: Absolut. In den Zeiten vom Internet ist natürlich auch alles da. Auf Reisen erfährst du die Musik live. Was dir gefällt, das nimmst du auf, eventuell studierst du das ein bisschen, assimilierst das und lässt dich inspirieren.

Und wie schaut es mit der europäischen Musiktradition der Klassik einschließlich 12-Ton-Musik und Neue Musik aus?

MAL: Als sehr interessierter Flötist bin ich breit ausgerichtet. Ich habe ein klassisches Studium gemacht. Das habe ich gemacht, weil es mich sehr interessierte; vielleicht auch, weil ich Europäer bin, aber das weiß ich nicht. Die Musik, die ich lebe, ist jedoch Jazz (mit einem kleinen 12-Ton-Twist).

Du spielst Piccolo-Flöte, C – und Alt- sowie Bass Flöte, aber auch, PVC-Kontrabassflöte. Darüber hinaus noch indische Bambusflöten, präparierte Flöten und Flötofon. Das ist im Jazz heute nicht mehr so alltäglich. Es gab mal Zeiten, da war es anders, man denke an Paul Horn, Jeremy Steig und Herbie Mann. Wie kam es zu der doch eher außergewöhnlichen Instrumentenwahl?

MAL: Ich bin in Bonn aufgewachsen und da wohnt der beste Jazzflötist der Welt, Michael Heupel. Den habe ich ab und zu gehört. Der ist also schuld.

Der ist aber nicht schuld an der Bandbreite der Flöten, die du spielst?

MAL: Nein, aber dass ich halt Flöte spielen wollte. Ich habe ihn öfter gehört, auch so mit freier Musik und bei Jazzkonzerten. Der Witz ist, je länger man studiert, desto mehr fallen die Götter von ihren Podesten, aber Michael ist immer noch auf seinem. Die Bandbreite der Flöten ergibt sich auch aus der künstlerischen Notwendigkeit und dem ‚Sound’; auch im Hinblick auf Solo-Konzerte wichtig.

Die oben genannten Musiker haben auf dich keinen Einfluss genommen oder ihre Rolle gespielt?

MAL: Später natürlich auch, als ich mich bereits für die Flöte entschieden hatte. Der echte Initialzünder, das war Michael.

Sind diese Flöten für dich Atemrohre und Sprachrohre zugleich? Ich habe Aufnahmen von dir gehört, da scheint die Flöte, ähnlich wie bei Albert Mangelsdorff die Posaune, als Verstärker von Sprache zu fungieren.

MAL: Die Flöte eignet sich sehr dazu. Ich habe ja kein Mundstück und kann sofort mitsingen und babbeln. In dem Rohr kann ich sofort Geräusche machen. Mit der Bassflöte mache ich sehr viel mit den Resonanzen in der Flöte. Das klingt fantastisch!

Ist dein zweiter Vorname eine Verpflichtung, vielleicht sogar „Programm“, denkt man doch im Kontext von Musik an den österreichischen Komponisten Alban Berg?

MAL: Nein. Das war mein Vater, der sich gedacht hat, ich heiße Lotz und Mark und dann wollte er noch einen zweiten Namen. Ich glaube nicht. Mein Vater ist Jazzfan!

Gibt es für dich einen Zusammenhang zwischen eigenem Temperament, auch im weitesten Sinne der eigenen Persönlichkeit und dem gewählten Instrument?

MAL: Bestimmt. Flötisten sind oft Solisten, stehen gerne im Vordergrund, oft lustig, sind öfter klein, haben einen kleinen Bauch, kurze Hände. Ja es gibt eine Physiognomie, die für die Flöte gut ist.

Ist im Jazz und der improvisierten Musik eigentlich schon alles gesagt, präsentiert, ausprobiert worden oder gibt es noch weiße Felder?

MAL: Garantiert! Es wird immer weiße Felder und Neues geben. Das ist das Vorrecht der Jugend, die hat diese unbändige Energie und Kreativität. Die ältere Generation hat dann meist Probleme mit der neuen Musik. Ganz stereotypisch eben. Aber Jugend hat diese Kraft. Toll!

Wie charakterisierst du deine eigene Musik? Improvisierte Musik? Minimal Music? Afrikanisch angehaucht?

MAL: Ich bin Zwilling und ein Bürger dieser Welt. Ich bin Jazzflötist, so würde ich mich bezeichnen. Meine Liebe für die ganze Welt ist sehr groß und ich umarme die mit großer Liebe. Wenn ich auf Kuba bin, höre ich die Santería-Musik mit Tränen in den Augen. Oder ja Gott – Gott lebt tatsächlich, der lebt in Indien, heißt Hariprasad Chaurasia und ich bin sein Schüler. Es gibt Musik, die dir gefällt, und Musik, die dir nicht gefällt. Mit klassischer japanischer Musik zum Beispiel habe ich nichts im Sinn, aber ich mag schon sehr viel.

Auch südostasiatische Musik?

MAL: Weniger. Es hört dann schnell bei Indien auf. Klassische Musik aus Indien ist wahrscheinlich neben Jazz die einzige große Schule der Improvisation, die es gibt und der man sich als Musiker nicht verschließt.

Welche Rolle spielen die Titel für ein besseres Verständnis deiner Musik? Wählst du das auch danach aus, dass das Publikum einen kleinen Hinweis erhält?

MAL: Ja, ich gebe dann gerne einen Fingerzeig, eine Assoziation, damit der Kopf schon mal angeregt ist. Oder es ist eine eigene Idee. Oft habe ich aber auch erst einmal einen Arbeitstitel wie Bassflöten-Slap und dann musst man überlegen, wozu es passt. Dann hatte ich ein Projekt mit dem Thema „Fisch“. Da kam auch ein Hai vor und aus Bassflute Slap Trio wird dann „Waiting For Prey“.

Ist Jazz nicht weitgehend elitär und wenig massenkompatibel?

MAL: Sie ist sexy und massentauglich, Punkt!

Auch im Vergleich zu Pop und Rock? Häufig findet man beim Jazz ein ergrautes und kein junges Publikum. Die Musiker werden immer jünger.

MAL: Jazz ist weniger populär, und es ist auch kein eindeutiges Produkt. Es wird improvisiert, und es ist immer mal wieder anders. Ja, man muss auch Jazz lernen. Man muss ihm auch ausgesetzt sein. Wenn ich das Radio anmache, höre ich keinen Jazz. Wenn man es nie hört, kennt man es auch nicht. Warum sollte man dann zu einem Jazzkonzert gehen.

Bemerkung von Jörg Brinkmann: Im Klassikkonzert sitzen auch keine jungen Leute. Es liegt an den Handys und an den Flatrates, den IPads, den Computern.

Ich danke fürs Gespräch.

Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Mark Alban Lotz

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Musik/Video

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